Unterricht in Zeiten von Corona - Teil 1

Wer hat den berühmt berüchtigten Freitag, 13. März 2020 noch im Kopf? "Bleiben Sie zu Hause" hiess es damals. "Jetzt sind wichtige Schritte nötig". "Es braucht uns alle". "Jede/n einzelne/n von uns".

 

So kam es, dass erstmals in der Geschichte der Musikpädagogik Schulschliessungen zur Realität wurden und wir unsere Konzepte grundlegend ändern mussten. Vieles ging mir damals durch den Kopf. Denn nicht nur Schulen wurden geschlossen, auch zahlreiche Konzerte wurden abgesagt. Und so kam es auch, dass die Saison der Operette Arth, bei der ich 2019/2020 zum ersten Mal im Orchester dabei sein durfte, vorzeitig abgebrochen wurde.

 

Glück im Unglück dachte ich mir, denn es ist nach dieser anstrengenden Zeit, in der ich viel gereist bin auch schön, ab und an ein freies Wochenende zu geniessen. Ausserdem waren im März meine wichtigsten Solokonzerte der Saison 2019/2020 (Händelkonzert und Hoffmann Quintett) mit dem Ensemble des Musicae Gaudio Orchester auch schon vorbei. Ebenso bin ich privat in den Genuss gekommen, am 7. März noch ein letztes Mal vor der Schliessung der Skigebiete an der Lenk die Kurven den Berg hinab zu schwingen. Denn auch die Werbeveranstaltungen der Musikschulen, die normalerweise immer im März stattfinden, wurden noch vor der offiziellen Schulschliessung abgesagt. 

 

Kommen wir also zurück zu den Schulschliessungen. Was bedeutet das nun für uns Musiklehrpersonen*? Auch wir mussten auf Fernunterricht umsteigen. Innert kürzester Zeit entwickelten wir Konzepte, die es uns ermöglichten, den Instrumental- und Gesangsunterricht möglichst sinnvoll weiterzuführen. Gar nicht so einfach in einer Pädagogik, die vom gemeinsamen Spiel auf dem Instrument lebt. So nahm ich mir die Zeit und entwickelte Mind-Maps, führte Brainstormings durch, tauschte mich mit Berufskolleg*innen aus, entwickelte neue Stundenpläne und machte mich über online-Video-Unterricht schlau. Spannend, was es heutzutage alles gibt! Ein grosses Kompliment möchte ich an dieser Stelle auch allen Musikschulen aussprechen. Innert kürzester Zeit wurden wir von den Schulleitungen kompetent informiert und es wurden online-Plattformen entwickelt, um den Austausch zwischen den Lehrpersonen* zu ermöglichen. Nach einigen Tagen Recherchearbeit habe ich mich entschieden, den Unterricht mit allen Schüler*innen via Skype durchzuführen. So habe ich in derselben Woche noch mit zwei meiner Schüler*innen getestet, ob der Unterricht so auch funktionieren kann und durfte mit erstaunen feststellen: es hat wirklich gut geklappt! 

 

Nun ging es daran, alle Eltern über den Umstieg auf Skype-Unterricht sowie die neuen Stundenpläne zu informieren. Ich muss zugeben: es hat mich sehr nervös gestimmt, da ich nicht wusste, was mich für Reaktionen erwarten. Aber auch da war grosse Dankbarkeit, Offenheit und Verständnis für die Situation spürbar. Ich bin immer noch dankbar, dass uns die Digitalisierung diese Vorteile im Musikunterricht ermöglicht hat. Man stellt sich nur ungern vor, wie Fernunterricht vor 20 oder 30 Jahren ausgesehen hätte. Eine Frage stellte sich allerdings noch: wie gestalte ich den Fernunterricht mit Anfänger*innen auf dem Instrument, insbesondere im Bereich der Spieltechnik?

 

Mein Unterricht lebt viel vom Vorspielen und Nachahmen. So entschied ich mich, den Rest der Woche zu investieren, um Videos mit Fingerübungen für meine Schüler*innen zu gestalten. Doch bevor dies geschehen konnte, musste ich mir noch ein einigermassen taugliches Smartphone-Stativ besorgen und ein Konzept zum spieltechnischen Aufbau überlegen. Gesagt, getan. Und dann ging es an die Arbeit! Glauben Sie mir, ich habe seither grossen Respekt vor allen YouTuber*innen. Denn die Aufnahme, Bearbeitung und insbesondere das Hochladen solcher Erklärvideos beansprucht viel Zeit, Geduld und Nerven. Insbesondere, wenn man sich als Laie an die Videos wagt. Hinzu kam noch die langsame Internetverbindung, weil nahezu alle Menschen * in der Schweiz im Home-Office gearbeitet haben. Da wurde viel geflucht! Dennoch hat mir das Ausprobieren grosse Freude bereitet und die Schüler*innen waren begeistert von der Idee. Nach einer organisatorisch anstrengenden Woche ging ich in ein verdientes, digital detox Wochenende. Schliesslich erwarteten mich einige ereignisreiche Wochen Fernunterricht, was mich zugegebenermassen am Sonntag Abend auch ein wenig zittern liess. 

 

Und dann war es am Montag, punkt 09.00 Uhr soweit. Der erste Block Harfenunterricht via Skype konnte starten. So ging es nun bis zu den Frühlingsferien - und danach auch weitere drei Wochen - weiter. Vier Tage Fernunterricht mit fast 30 Schüler*innen, vier Tage sehr oft und lange in den Bildschirm schauen und sich noch nie dagewesenen Herausforderungen stellen. Interessant und anstrengend zugleich! Auch wenn ich mir die Bildschirmarbeit als gelernter Kaufmann gewohnt war. Der Musikerberuf ist logischerweise primär Analog. Und bis dato war dies ein Selbstverständnis. Aber neue Situationen bringen Herausforderungen mit sich und das mag ich! Ich bin zudem sehr dankbar, dass wir im 21. Jahrhundert all diese Möglichkeiten besitzen, um den Unterricht "face to face", wenn auch digital, weiterzuführen. Unter anderem habe ich in Wohnzimmer hineingesehen, Harfen und Übesituationen bei den Schüler*innen zu Hause kennengelernt, verstimmte Harfen wieder zum stimmen gebracht und das Gehör meiner Schüler*innen durch vor- und nachspielen am Instrument und mit unzähligen Übungsvideos, die via WhatsApp versandt wurden geschult.

 

Es war eine interessante und lehrreiche Zeit, die ich nicht missen möchte. Und dennoch war ich froh, als die Schulen wieder öffnen durften. Denn kein Fernunterricht auf der Welt ersetzt die soziale Situation mit den Schüler*innen, welche Musik erlebbar und spürbar macht, allen einzelnen von ihnen die ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt und durch gemeinsames Musizieren geradezu eine Flucht aus dem stressigen, von Leistungsdruck orientierten Alltag bietet. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Barbotti Ursula (Donnerstag, 19 November 2020 18:53)

    Super Beitrag, habe mir gerade vorgestellt wie das wohl in deiner Harfen Anfangszeit gewesen wäre. Hätten wir als Eltern das durchgestanden? Wärst du Harfenlehrer geworden? Toll wie du deine Leidenschaft lebst. Auguri Mam