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10. Dezember

Ein aussergewöhnliches Vorstellungsgespräch

In unserer Szene ist es bekannt, dass der Stellenmarkt ausserordentlich klein ist. Aber Hand aufs Herz: wussten Sie das auch? Und wissen Sie Bescheid über die Bewerbungsverfahren für Musiklehrpersonen? Die heutige Geschichte widmet sich diesem Thema. Und erzählt eine spezielle Erfahrung. Aber alles der Reihe nach.

 

Mein Wunsch Musik zu unterrichten und meine Leidenschaft für die Musik an ebenso begeisterte Kinder, Jugendliche und Erwachsene weiterzugeben, bestand schon seit Studienbeginn. Umso wichtiger war es für mich, eine feste Stelle als Harfenlehrperson zu finden. Gar nicht so einfach, wenn man keinen Studienabschluss hat. Immer wieder wurden Bewerbungen zurückgeschickt oder Stellen nach harten Verfahren trotzdem anderweitig vergeben, weil das Diplom Master of Arts in Musikpädagogik noch nicht vorhanden war. Wie oft musste ich bei Bewerbungsverfahren schon umfallen, um wieder aufstehen zu können. Wie sieht eigentlich so ein Bewerbungsverfahren aus? Eigentlich wie bei jeder anderen Stelle: man sendet die Bewerbung inklusive Lebenslauf, Zeugnissen, Diplomen. Aber damit nicht genug. Wer eine Stelle als Musiklehrperson an einer Musikschule will, muss vor einer Jury bestehend aus Schulleitung und Lehrpersonen unterrichten - meist 1 oder 2 Schüler*innen. Zudem wird die künstlerische Kompetenz der Lehrperson durch einen kurzen Vortrag von 1 bis 2 Stücken getestet. Sie sehen: alles andere als einfach. Und wie bei jeder Stelle, muss man auch das Glück haben, eingeladen zu werden. Mit oder ohne Diplom!

 

Aber mein Ziel war klar. Eine Festanstellung als Musiklehrperson zu finden, in der ich meine Erfahrungen weitergeben und neue methodische Erfahrungen sammeln kann. Und so kam im Juni 2016 auch mein glücklicher Moment. Nach zahlreichen Absagen wurde ich endlich zum Vorstellungsgespräch an einer Musikschule eingeladen. Zu meinem Erstaunen - denn ich steckte damals noch voll im ersten Studienjahr meines Masters. Mit der Einladung kamen auch die Informationen zur Schülerin, die ich unterrichten durfte. Ich konnte mich also perfekt vorbereiten. Eigentlich konnte nichts mehr schief gehen.

 

Am Tag x machte ich mich mit meiner Harfe auf den Weg zur Musikschule, um mich vorzustellen. Die Schule besass zu diesem Zeitpunkt noch keine Pedalharfe, weshalb ich meine eigene mitnahm. Was ich erst später erfuhr: Das Bewerbungsgespräch fand in einem Musikzimmer im Dachstock statt. Am heissesten Tag des Sommers 2016, Anfang Juni. Ganz schön anstrengend, die eigene Harfe (ohne Lift!) dorthin zu schleppen. Aber schliesslich wollte ich die Stelle und so machte mir auch das nichts aus. Dann begann die Lektion und ich lernte die Schülerin kennen. Zu meinem Erstaunen - und wie sich später herausstellte auch zum Erstaunen der Jury - hatte die Schülerin aber ein anderes Stück dabei. "Ohje", dachte ich mir. "Wenn das nur gut kommt...". Etwas verunsichert wagte ich mich an die Lektion. Und ziemlich nervös und immer noch verschwitzt vom Transport, spielte ich nach der Lektion die Fantasie in c-Moll von Louis Spohr vor. Dann gab es ein kurzes Gespräch und ich machte mich auf den Weg nach Hause.

 

Lange Wochen des Wartens folgten. Das war unangenehm. Und dann kam nach einiger Zeit endlich ein Anruf mit der Zusage für die Stelle. Welch Freude das war! Endlich habe ich es geschafft, endlich eine Festanstellung mit einer eigenen Klasse! In derselben Woche kam eine weitere Zusage für eine Festanstellung an der Musikschule Worb, wo ich noch heute unterrichte und meine eigene Klasse mit aktuell 7 Schülerinnen (in 3 Jahren von 0 auf 7) aufgebaut habe.  

 

Heute habe ich zwei eigene Harfenklassen an verschiedenen Musikschulen. Der Weg, eine Stelle zu kriegen ist steinig und lang. Zudem ist das Pensum der Musiklehrpersonen immer von den eigenen Schülerzahlen abhängig. Und diese können Semesterweise variieren. Besonders in der jetzigen Zeit, ist das alles andere als einfach. Denn auch Werbeanlässe, um Schüler*innen zu generieren, fallen momentan weg (mehr dazu im Corona-Blog). Aber ich will mit dem heutigen Blog alle Musiker*innen und insbesondere die zukünftigen Musikpädagog*innen ermutigen, stets an sich zu glauben und egal, was passiert, nie den Mut zu verlieren! Denn jede Erfahrung, sei sie auch noch so negativ, bringt uns weiter und zeigt uns einen Weg neuer Entscheidungen, die wir in unserem Berufsleben treffen. 

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