· 

22. Dezember

Spielen Sie auch im Orchester?

Diese Frage kriege ich oft gestellt. Vermutlich, weil man die Harfe mehr als Orchesterinstrument als als Soloinstrument wahrnimmt. Dabei ist nicht allen bewusst, was es braucht, um bei einem Sinfonie-, Theater- oder Opernorchester eine Festanstellung zu kriegen. Die heutige Geschichte erzählt davon. Und davon, warum ich vorerst die Entscheidung traf, neben meiner pädagogischen Tätigkeit als Zuzüger und Freelancer bei diversen Orchestern oder anderen Formationen zu spielen. 

 

Orchesterstellen werden ausgeschrieben wie andere Stellen. Übers Internet oder in Zeitungsinseraten der Musikzeitung. Eigentlich ganz einfach. Dann schickt man seine Bewerbung. Nur gibt es da einen Haken. Erstens gibts Stellen für Solo Harfe nicht wie Sand am Meer. Allgemein sind Orchesterstellen sehr rar - nicht nur bei der Harfe. Zweitens muss man das Glück haben - und ich schreibe bewusst Glück - eingeladen zu werden. Da gibt es ganz unterschiedliche Kriterien. Viele Orchester verlangen Erfahrung auf professionellem Niveau. Oder Erfahrungen von Praktika im Orchester, für die man sich ebenso bewerben muss und bei denen die Stelle schwierig zu kriegen ist. Dann gibt es bei einzelnen Praktikumsstellen oft eine Altersbegrenzung. Oder man muss sich noch im Studium befinden. Gar nicht so einfach, diese Chance zu packen. 

 

Wer das Glück hat, eingeladen zu werden, bereitet meist ein Solokonzert, ein Solostück und einzelne Solo-Orchesterstellen vor, die es vor einer Jury vorzuspielen gilt. Es gibt mehrere Runden - ähnlich wie bei einem Wettbewerb. Die erste Runde ist oft mit einer "blind audition" besetzt. Das heisst, die Musiker *innen spielen hinter einem Vorhang oder einer Trennwand, damit die Jury möglichst unparteiisch entscheiden kann. Die Kandidat *innen ziehen Lose, auf denen die Reihenfolge bestimmt ist. Dann kommt das lange Warten. Manchmal kann man einspielen, manchmal nicht. Das kommt drauf an, wie das Orchester organisiert ist. Alle Kandidat *innen warten gemeinsam im selben Raum. Dann wird die eigene Nummer aufgerufen. Man schreitet zur "Höhle der Löwen". Vor dir die Harfe und eben diese Wand. In sehr kurzer Zeit - es sind wohl nicht mal 5 Minuten - beweist man dann sein Können für die erste Runde. Dann folgen die restlichen Kandidat *innen. Langes Warten. Und schlussendlich die Verkündung der Resultate aus der ersten Runde. Oft fehlt eine Rückmeldung. Wer nicht weiter ist, fährt nach Hause. Enttäuscht oder mit einer neuen Erfahrung im Rucksack.  Es gibt aber auch Orchester, die eine Rückmeldung geben. Das begrüsse ich sehr, denn man will wissen, wo es Verbesserungspotential gibt. 

 

Ich durfte an zwei, drei Probespielen teilnehmen. Für mich stand mehr im Vordergrund, die Erfahrung zu machen, als die Stelle wirklich zu kriegen. Auch um mir Gedanken zu machen, wohin mein musikalischer Werdegang führen soll. Und ob ich bereit wäre, Probespiele auf der ganzen Welt zu absolvieren, um irgendwo Erfolg zu haben und eine Orchesterstelle zu kriegen. Ich habe sehr spät im Studium - erst im zweiten Master - mit Probespielen begonnen. Einerseits wollte ich technisch weit genug sein, andererseits ist die Vorbereitung sehr Zeitaufwändig und mein Fokus lag lange nicht auf der Orchesterliteratur. Damals hatte ich mich beruflich mit zwei Festanstellungen an Musikschulen und diversen Aufträgen als Freelancer bereits profiliert. Bald stand meine Entscheidung fest. Für mich war die Vorbereitung sehr lehrreich und auch die ganze Erfahrung, mit dem Stress umzugehen ist gut. Deshalb kann ich es allen angehenden Musiker *innen ans Herz legen, ein Probespiel zu besuchen.

 

Allerdings habe ich damals festgestellt, dass die Vorbereitung auf Probespiele enorm Zeitaufwändig ist. Wenn man seriös vorbereitet sein will, muss man bereit sein, andere Aufträge oder Anfragen abzusagen, um sich 200 Prozent vorzubereiten - damit man 100 Prozent geben kann. Diese Aufträge und Anfragen waren bei mir schon seit Studienbeginn am laufen. Und sie verhalfen mir immer zu weiteren Auftritten und Engagements bei ad hoc Orchestern. Alsbald wurde mir klar, dass ich einen Beruf mit genug Abwechslung brauche. Das merkte ich bereits in der Ausbildung zum Kaufmann. Allerdings geriet das mit den Jahren in Vergessenheit. Mir wurde jedoch bewusst: schwarz-weiss gibts bei mir nicht. Deshalb auch nicht nur Orchester, nur Unterrichten oder nur Solo-Auftritte. Gerade die Abwechslung und Offenheit gegenüber Neuem ist es doch, was unseren Beruf so spannend macht! 

 

Und so fiel meine Entscheidung, als Zuzüger bei verschiedensten Orchestern tätig sein zu wollen und eben neben der Musikpädagogik auch freiberuflich tätig zu sein. Noch heute bereitet mir diese Abwechslung grosse Freude. Und ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die mir die Probespiele geboten haben. Auf unserem Weg sind solche Erfahrungen enorm wichtig, damit wir die für uns stimmigen Entscheidungen treffen können. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0